Georg Eisler
Biografie
* 20. April 1928 in Wien, † 15. Jänner 1998 in Wien
Georg Eisler wird am 20. April 1928 als einziges Kind der Sängerin und Gesangspädagogin Charlotte Eisler und des Komponisten Hanns Eisler, der jüdischer Abstammung ist, in Wien geboren. Seine Mutter ist politisch aktives Mitglied der Kommunistischen Partei. Ein Jahr nach der Scheidung zieht Charlotte Eisler 1936 aus beruflichen Gründen mit ihrem Sohn nach Moskau, wo er die deutschsprachige Karl-Liebknecht-Schule bis zu deren Schließung Anfang 1938 besucht. Da ihre Aufenthaltsgenehmigung nicht verlängert wird, müssen Charlotte und Georg Eisler die UdSSR noch im selben Jahr verlassen. Pläne zur Rückkehr nach Wien scheitern allerdings angesichts des „Anschlusses“ Österreichs an das Deutsche Reich, sodass Mutter und Sohn vorerst in Prag bleiben. Im März 1939 – unmittelbar vor Hitlers Einmarsch in die Tschechoslowakei – gelingt ihnen die Flucht über Polen und Schweden nach England.[1] Während Charlotte Eisler sich in Manchester niederlässt, wird Georg durch das englische Emigranten-Hilfskomitee „Czech Trust Fund“ bei einer Quäkerfamilie in Birmingham untergebracht. Nach einem kurzen Wiedersehen in London und Manchester wird Georg erneut angesichts des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges von seiner Mutter getrennt. Kurz nach seiner Einschreibung an der Hulme Elementary School wird die gesamte Schule aus dem gefährdeten Manchester in den Vorort Cheadle Hulme übersiedelt.
Dort wird Eisler kurz darauf von dem wohlhabenden Ehepaar John und Ethel Boardman aufgenommen. Der künstlerisch und literarisch interessierte John Boardman schickt ihn auf die Secondary School in Stockport, eine anspruchsvolle Schule des gehobenen englischen Mittelstandes. Nach einem Jahr in Cheadle Hulme übersiedelt Georg 1940 wieder zu seiner Mutter nach Manchester, wo er auf die Central High School for Boys kommt. In diesem Jahr erlebt Eisler die schweren Bombenangriffe der deutschen Luftwaffe auf Manchester mit („The Blitz“), die er später in den 1980er-Jahren malerisch darstellen wird.
Durch die Begegnung mit der Kunsthistorikerin Margaret H. Bulley (Margaret Armitage) erlangt Eisler eine frühe aktive Förderung seines Kunstschaffens. Sie ermöglicht ihm bereits mit 14 Jahren – als jüngster Student der Schule – die Aufnahme an der Stockport School of Art. Ab 1944 studiert Eisler drei Monate an der Manchester School of Art, bevor er bis 1946 an die Salford School of Art wechselt. Unterdessen lernt Eisler 1944 bei einem Besuch in London den Maler Oskar Kokoschka kennen, der dort im Exil lebt und ihm mehrfach Privatunterricht gibt. In der Londoner Foyle’s Gallery beteiligt sich Eisler erstmals bei einer Ausstellung, nämlich An Exhibition of Paintings, Watercolours, Drawings and Sculpture of Austrian Artists, an der unter anderem auch Oskar Kokoschka, Georg Ehrlich und Gerhart Frankl teilnehmen. Durch die Mitgliedschaft in der Emigrationsorganisation Young Austria lernt Eisler den Dichter Erich Fried kennen, mit dem er in langjähriger freundschaftlicher Verbundenheit bleibt. Eisler und seine Mutter ziehen nach London, seine erste Einzelausstellung Paintings, Drawings and Etchings by Georg Eisler findet 1946 im International Club of Manchester statt. Im September dieses Jahres tritt Eisler mit seiner Mutter die Heimreise nach Wien an, wo er daraufhin den Abendakt bei Herbert Boeckl an der Akademie der Bildenden Künste besucht. Dort lernt er Alfred Hrdlicka, Rudolf Schönwald und Fritz Martinz kennen, mit denen er eine lebenslange Freundschaft pflegen wird. Die Erste große österreichische Kunstausstellung 1947 im Künstlerhaus ist Eislers erste Ausstellungsbeteiligung in Wien. 1948 ist er im Konzerthaus bei der Ausstellung Formen und Wege involviert.
Eislers Rückkehr nach Wien in den Nachkriegsjahren gestaltet sich insgesamt nicht einfach. Nicht nur in politisch-ideologischer Hinsicht fühlt er sich nicht zugehörig, sondern auch auf künstlerischer Ebene hat er Schwierigkeiten, Fuß zu fassen. Er zieht sich in Folge fast zehn Jahre lang aus dem Wiener Ausstellungsbetrieb zurück.[2]
Indessen reist Eisler nach Italien, wo er sich mit der venezianischen Malerei befasst. 1956 ist er in Bologna und Rom an der Ausstellung Eisler, Escher, Hrdlicka, Martinz, Schönwald beteiligt. 1958 widmet ihm die Galerie Wolfrum in Wien eine Einzelausstellung, in der sowohl Malereien als auch Grafiken gezeigt werden. 1960 wird Eisler ordentliches Mitglied der Wiener Secession. 1961 beauftragt der Dirigent und Komponist Otto Klemperer ihn mit der Gesamtausstattung der Zauberflöte am Royal Opera House Covent Garden in London. Eisler konzipiert das Bühnenbild sowie die Kostüme für die Inszenierung, die am 4. Jänner 1962 Premiere feiert. Am 6. September 1962 stirbt Georgs Vater Hanns Eisler in Ostberlin.
In den frühen 1960er-Jahren beteiligt sich Eisler an einigen Ausstellungen im Ausland, unter anderem in London, Brüssel und Paris, außerdem nimmt er an der Biennale per la Pittura San Marino teil. Zu dieser Zeit knüpft er wichtige Bekanntschaften, wie 1961 mit dem Kunsthistoriker Werner Hofmann und 1962 mit dem Kunsthändler Alf Mehringer, mit dem er eine Zusammenarbeit beginnt. 1963 lernt Eisler die Schriftsteller Elias Canetti und Wolf Biermann kennen. 1964 erscheint die erste Monografie zu Georg Eisler von Erich Fried und Ernst Köller, im selben Jahr erhält er seinen ersten Kunstpreis: den Theodor-Körner-Preis. 1965 wird Eisler der Österreichische Staatspreis für Malerei verliehen und er erhält eine große Einzelausstellung in der Wiener Secession. 1966 heiratet Eisler die Juristin Alice Gerson, mit der er bis zu seinem Tod zusammenbleiben wird. 1968 bis 1972 ist Eisler Präsident der Wiener Secession und aktiver Organisator und Kurator vielzähliger – auch internationaler – Ausstellungen. Zudem wird er bis 1974 Mitherausgeber der Zeitschrift Ver Sacrum, von der in der Zeit seines Amtes fünf Ausgaben erscheinen. 1969 nimmt Eisler mit einer Vielzahl an Arbeiten an der umfangreichen Ausstellung Figur in der Zentralsparkasse Wien teil, bei der auch Alfred Hrdlicka, Fritz Martinz, Rudolf Schönwald und Rudolf Schwaiger gezeigt werden. Zwischen 1970 und 1976 ist Eisler Dozent am Institute of European Studies in Wien. Otto Breicha gibt 1970 das erste Werkverzeichnis Eislers heraus (Georg Eisler. Monographie und Werkkatalog), in dem das malerische Schaffen des Künstlers bis zu diesem Jahr dargestellt wird. Am 21. August 1970 stirbt die Mutter Charlotte Eisler in Wien.
1971 erhält Eisler den Preis der Stadt Wien für Malerei. 1972 begibt er sich für zwei Monate zu Studienzwecken nach Rom ins Atelier des Österreichischen Kulturinstituts. In diesem Jahr stirbt der von Eisler sehr geschätzte Ernst Fischer. Im Schauspielhaus Graz wird Eisler 1973 von Heinrich Schnitzler für die Konzeption des Bühnenbildes und der Kostüme zu Ferdinand Raimunds Der Alpenkönig und der Menschenfeind eingesetzt. 1974 erhält er das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst. Georg Eisler reist 1976 erstmals in die USA, wo er am German Semester an der University of Southern California (Los Angeles) und an der University of New Mexico (Albuquerque) Gastvorlesungen hält. In Wien werden Eisler, Adolf Frohner, Alfred Hrdlicka und Fritz Martinz in diesem Jahr vom Architekten Harry Glück beauftragt, Werke für den Wohnpark Alt-Erlaa zu gestalten. Georg Eisler schafft zwei großformatige Gemälde: Großes Kaffeehaus (Café Sperl) und Großer Markt an der Porta Portese. 1977 erscheint Eislers Publikation From Naked to Nude, 1979 erhält er eine Gastprofessur an der German Summer School der University of New Mexico, die er bis 1991 innehat. Ab 1981 (bis 1996) übernimmt Eisler die Leitung der Klassen für Malerei und Zeichnung an der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst in Salzburg, die 1953 als „Schule des Sehens“ von Oskar Kokoschka gegründet worden war. Zudem hält Eisler 1981 Vorträge an der Stanford University in Kalifornien und an der RWTH Aachen. 1982 werden Arbeiten Eislers auf der 40. Biennale in Venedig präsentiert, er hält sich mit einem zweimonatigen Stipendium des Künstler*innenprogramms des DAAD in Berlin auf und schließt Freundschaft mit dem französischen Fotografen Henri Cartier-Bresson. Die beiden bleiben in lebenslanger Verbundenheit und besuchen sich regelmäßig gegenseitig in Paris, Wien und Salzburg zu gemeinsamen Zeichenstunden. 1983 geht Eisler erneut in die USA für Lehrtätigkeiten an der University of New Mexico (ebenso 1985) und der University of California (Los Angeles). 1986 reist Eisler nach Manchester und verarbeitet die Erinnerungen seiner Kindheit und Jugend im Exil in dieser Stadt in zahlreichen Werken. 1987 erhält er eine Gastprofessur an der Hochschule der Künste in Westberlin. Die Manchester City Art Gallery widmet Eisler 1988 die Ausstellung People, Places and Politics. 1991 erhält er einen Ruf als Gastprofessor an der Hochschule der Künste in Hamburg sowie erneut an der German Summer School der University of New Mexico; in Heidelberg hält Eisler einen Vortrag am Kunsthistorischen Institut der dortigen Universität. 1993 wird ihm das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse verliehen, er hält einen Vortrag im Rahmen des vierzigjährigen Jubiläums der Sommerakademie Salzburg und ist bei der ersten Realismus-Triennale im Martin-Gropius-Bau in Berlin vertreten. 1996 kuratiert er in der Municipal Gallery of Modern Art Dublin die Ausstellung Elements – Austrian Painting since 1980. 1997 findet im Oberen Belvedere sowie im Museum Moderner Kunst – Stiftung Wörlen in Passau Eislers letzte Ausstellung zu seinen Lebzeiten statt: Georg Eisler. Bilder aus den Jahren 1943–1997. Am 15. Jänner 1998 stirbt Georg Eisler an einem Krebsleiden in Wien.
Verwendete Literatur
Ausst.-Kat. Salzburg, Eisler, 2017
Ausst.-Kat. Wien, Belvedere, Spurensicherung, 2022
Ausst.-Kat. Wien, Hilger, Eisler, 1987
Breicha, Eisler, 1970
Eisler, Skizzen, 1990
Eisler, Tagebücher I–XVI, 1962–1997
Fried/Köller, Eisler, 1964
Anmerkungen
[1] Georg Eisler erinnert sich: „Ich entkam aus Prag, dank den Anstrengungen meiner Mutter, die sich beharrlich weigerte, allein wegzufahren und mich einer Kinderaktion anzuvertrauen […]. Der Weg nach der rettenden Insel war ebenfalls kompliziert, von Prag über Polen nach Gdynien [Gdynia], von dort mit dem Schiff nach Schweden, quer durch Schweden nach Göteborg und von dort mit einem größeren Schiff bei recht stürmischer Fahrt nach Southampton. Zur gleichen Zeit marschierten Hitlers Truppen, zu denen auch meine Landsleute gehörten (auch vor ihnen flüchtete ich), in Prag ein. Es war Anfang März 1939, nur sechs Wochen vor meinem 11. Geburtstag und weniger als sechs Monate vor Ausbruch des zweiten Weltkriegs.“ (Ausst.-Kat. Wien, Hilger, Eisler, 1987, S. 21).
[2] Eisler formuliert die Schwierigkeiten seines künstlerischen Neuanfangs in Wien: „Vom Ausstellungsbetrieb zog ich mich zehn Jahre lang zurück, was zum Teil auf die Schwierigkeiten des Neubeginns in Wien zurückzuführen war. Der Entschluß wurde auch dadurch erleichtert, daß kein Interesse an meinen Hervorbringungen bestand; ich galt ja inzwischen als ‚Sozialistischer Realist‘, was zur Zeit des Kalten Krieges sämtliche Türen der Kunstförderung verriegelte. Dazu kam noch der nachteilige Stallgeruch des Kokoschka-Schülers; ihn wollte hierorts niemand und mich schon gar nicht.“ (Eisler, Skizzen, 1990, S. 7).