Carl Moll
Biografie
Carl Julius Moll, * 23.4.1861 Wien, † 13.4.1945 Wien, Maler, Grafiker, Autor, Galerist und Ausstellungskurator
1861–1896 Das Frühwerk
In Wien geboren, studiert Carl Moll von 1879 bis 1881 an der Wiener Akademie der bildenden Künste bei Christian Griepenkerl und wird anschließend Privatschüler beim Landschaftsmaler Emil Jakob Schindler, mit dem er gemeinsame Malfahrten nach Lundenburg/Břeclav, Goisern und Dalmatien unternimmt. 1885 lebt er in Schindlers Familien- und Schülerkreis in Schloss Plankenberg und adaptiert für sich dessen Naturlyrismus. 1890 wird er Mitglied des Künstlerhauses in Wien und tritt mit altmeisterlichen Stillleben in exzellenter Feinmalerei hervor. Nach Schindlers Ableben 1892 organisiert Moll die Nachlassausstellung im Auftrag des Galeristen Othmar Miethke. Er reist nach Lübeck, Lüneburg und Danzig. Sein frühes Hauptwerk Die Römische Ruine in Schönbrunn (1892) mit einer Verbindung von Naturlyrik und Symbolismus wird vom Kaiser angekauft, ebenso wie Der Naschmarkt in Wien (1894), eine volksnahe, multikulturelle Freilichtszenerie. 1895 heiratet er die Witwe Schindlers und wird Stiefvater Almas (spätere Alma Mahler-Werfel) und Gretes (Margarethe Legler-Schindler). Im Sammler- und Freundeskreis von Musikliebhabern, Wagnerianern und bildenden Künstlern strebt man nach der Verwirklichung der Idee des Gesamtkunstwerks. Moll engagiert sich im Ausschuss des Künstlerhauses im Bestreben, zeitgenössische Kunst aus dem Ausland nach Wien zu holen. Dabei findet er in Gustav Klimt, Koloman Moser und Josef Engelhart Gleichgesinnte.
1897–1904 Vom Mitbegründer der Wiener Secession zum Leiter der Galerie Miethke
Gemeinsam mit ihnen und anderen Künstlern gründet er 1897 die Wiener Secession. Die befreundete Kunstjournalistin Berta Zuckerkandl erweist sich neben Ludwig Hevesi und Hermann Bahr als vehemente Mitstreiterin für die Kunst- und Lebensreform im Einklang mit der europäischen Moderne. Sie alle kommentieren in den Medien die vom Wiener Publikum gut besuchten Secessionsausstellungen. Moll und seine Freunde zeigen die aktuelle Entwicklung des französischen Impressionismus, Neoimpressionismus und belgischen Symbolismus sowie den internationalen Jugendstil. Als Präsident der Secession arbeitet Moll 1900 als Delegierter Österreichs bei der Weltausstellung in Paris, wo die Wiener Secession durch ihren stilistisch stringenten Auftritt international bekannt wird. Die von ihm kuratierte VIII. Secessionsausstellung bewirkt durch die Präsentation ganzer Räume eine Aufwertung des Kunsthandwerks und bringt schottische Jugendstilkünstler nach Wien. Alma heiratet den Hofoperndirektor Gustav Mahler, mit dem Moll die musikalische und künstlerische Leidenschaft teilt. Auf Einladung Molls dirigiert Mahler bei der XIV. Secessionsausstellung Beethovens neunte Sinfonie in idealer Umsetzung der Idee des Gesamtkunstwerks, einer Synergie der Künste. Durch ein Netzwerk internationaler Kontakte organisiert Moll 1903 die spektakuläre Impressionismusschau und holt Ferdinand Hodler nach Wien. Aus den Secessionsausstellungen vermittelt er Werke an die neu gegründete Moderne Galerie (heute: Österreichische Galerie Belvedere). In den Gemälden Dämmerung und Mittagessen reflektiert er symbolistische und neoimpressionistische Tendenzen. Er ist Mitinitiator der Idee einer Künstlerkolonie mit gestalteten Hausgärten auf der Hohen Warte in Wien. Josef Hoffmann errichtet für ihn und Koloman Moser eine Doppelvilla sowie Häuser für die befreundeten Mäzene und Künstler Viktor Spitzer und Hugo Henneberg. Als Mitbegründer der Wiener Werkstätte (1903) visualisiert Moll in seiner Malerei deren innovatives Formenvokabular sowie die Architektur Josef Hoffmanns. Diese Interieur- und Gartenmotive von der Hohen Warte zeigt er in der XVII. Secessionsausstellung 1903 und 1906 im Folkwang Museum in Hagen. 1904 übernimmt Moll die künstlerische Leitung der Galerie Miethke in Wien, wo er ein ambitioniertes Programm der internationalen westlichen Moderne, Vincent van Gogh, Paul Gauguin und österreichische Malerei, darunter auch eigene Bilder, zeigt.
1905–1911 Die Klimtgruppe, die Kunstschauen 1908 und 1909 und die internationale Moderne bei Miethke
Moll schließt sich 1905 dem Austritt der Klimtgruppe aus der Wiener Secession an und übernimmt die Exklusivvertretung Klimts für die Galerie Miethke. Er leitet den Rückkauf der von der Professorenschaft kritisierten Fakultätsbilder durch private Mäzene in die Wege. Gemeinsam mit Klimt beteiligt er sich an der Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes in Berlin, wo er das Weiße Interieur aus der Villa Zuckerkandl in der Nusswaldgasse zeigt. Er beteiligt sich an der Kunstschau 1908 mit Motiven von der Hohen Warte sowie dem Interieur im Winterpalais des Prinzen Eugen von Savoyen in der Himmelpfortgasse. Auf der Internationalen Kunstschau 1909 zeigt er gemalte Stillleben mit Gegenständen der Wiener Werkstätte. Mit Klimt reist er nach Paris und Spanien, wo sie die Kunst El Grecos studieren. 1911 findet in der Galerie Miethke eine Doppelausstellung von Carl Moll und Maximilian Kurzweil statt; im selben Jahr beteiligt er sich an der Internationalen Kunstausstellung in Rom.
1912–1920 Maler und Kurator
Nach dem Austritt aus der Galerie Miethke 1912 widmet sich Moll wieder verstärkt der Malerei, bleibt aber weiterhin als Ausstellungskurator und Kunsthändler aktiv. Auf den Landgütern befreundeter Mäzene wie Andy von Zsolnays Anwesen in Förev in den Donauauen bei Bratislava oder in Freudenthal/Bruntál, dem Geburtsort Hermine Gallias, malt er lichterfüllte Garten- und Parkmotive. Während des Ersten Weltkrieges beteiligt er sich 1916 an der Wiener Kunstschau in Berlin und organisiert in Zürich 1918 die Schau Ein Jahrhundert Wiener Malerei mit Werken der jungen Avantgarde, Egon Schiele, den Künstlern der Neukunstgruppe, Oskar Kokoschka und eigenen Bildern. Das Ende der Monarchie bedeutet für ihn eine epochale Katastrophe.
1921–1945 Das Spätwerk
Franz Wiegele und Anton Kolig veranstalten 1921 für den 60-jährigen Moll seine erste Personale im Künstlerhaus. Die neuen Arbeiten zeigen die Hinwendung zum freien Kolorismus und einen temperamentvollen, rhythmischen Duktus. Im Auftrag der Museumsfreunde organisiert Moll in den Jahren 1923 bis 1926 zahlreiche Ausstellungen. Darunter ist 1925 eine Schau über französische Malerei, für die er den Professorentitel erhält. Aufenthalte in Venedig bewirken eine Steigerung der Leuchtkraft der Farben. Mit dem befreundeten Kunsthistoriker und Autor Julius Meier-Graefe unternimmt Moll Reisen in den Süden Frankreichs. Er malt auch in Algerien und an der italienischen Riviera. Unter dem Eindruck Paul Cézannes und der mediterranen Atmosphäre entwickelt er einen temperamentvollen Spätstil in koloristisch expressiver, freier Malweise. Diese Werke zeigt er 1931 bei der Kollektivausstellung zu seinem 70. Geburtstag in der Wiener Secession. Moll organisiert 1928 eine umfangreiche Gedächtnisausstellung für Gustav Klimt, 1937 die erste Kokoschka-Personale in Österreich. 1932 arbeitet er als Kommissär der österreichischen Abteilung der Biennale in Venedig, wo er neben Kokoschka, Boeckl, Gütersloh und Wotruba auch eigene Werke zeigt. Nach dem Tod seiner Frau im November 1938 lebt Moll isoliert bei seiner Tochter und dem Schwiegersohn, die beide bereits vor dem „Anschluss“ illegale Parteimitglieder der Nationalsozialisten sind. 1938 erklärt er sich als Anhänger der Nazis und distanziert sich von befreundeten Mäzenen, die aufgrund ihrer jüdischen Abstammung verfolgt werden. Während des Zweiten Weltkrieges lebt er in der Villa Mahler am Semmering. Er beteiligt sich an Ausstellungen im Künstlerhaus und erhält den vom Gauleiter Baldur von Schirach gestifteten Preis von 3.000 Reichsmark als Würdigung seines Gesamtwerks. Herbert Boeckl und Anton Steinhart sind seine einzigen Freunde. Ihnen gegenüber äußert er sich kritisch über das Regime. Am 13. April 1945 begehen er, seine Tochter und ihr Mann gemeinsam Selbstmord.
Cornelia Cabuk, 2019