Kurt Hüpfner
Das druckgrafische Werk
Der österreichische Maler und Bildhauer Kurt Hüpfner wurde am 22. Dezember 1930 in Wien geboren, wo er heute lebt und arbeitet. Schon in seiner Jugend interessiert er sich für moderne Kunst, vor allem für Pop Art und Dadaismus, über die er sich in Kunstzeitschriften am Laufenden hält, daher verbringt er viel Zeit in Bibliotheken. In den Jahren 1947 bis 1950 besucht er die Höhere Graphische Lehr- und Versuchsanstalt in Wien Neubau, jedoch versucht er sich nur kurze Zeit als Gebrauchsgraphiker, um sich anschließend als Karikaturist durchzuschlagen und sich durch Arbeit als Chauffeur finanziell am Leben zu erhalten.[1] Aus dieser Schaffensperiode sind einige Karikaturen erhalten.
Der Künstler ist an der französischen Écriture Automatique interessiert, die von André Breton und Philippe Soupault in den französischen 1920er Jahren zunächst auf die künstlerische Produktion von Texten unter Einbeziehung der freudschen Entdeckung des Unbewussten angewandt wurde.
Ab Ende der 1950er Jahre entstehen die ersten Post-Surrealistischen Zeichnungen. Er erzeugt tausende Zeichnungen aus denen später Plastiken, Assemblagen und Malereien entstehen. Dabei arbeitet Hüpfner aus dem Moment heraus, um die enge Verbindung des künstlerischen Vorgangs mit dem Unbewussten zu erhalten, und stellt sich die Aufgabe, nur das festzuhalten, was im Moment des Hier und Jetzt, das er in den Mittelpunkt stellt, präsent ist. Einige dieser Zeichnungen wurden später von Hüpfner in „Graphic Novels“ gebunden, dadurch entwickeln sich die Darstellungen laufend unterschiedlich und ergeben immer wieder neue, oft humorvolle Geschichten. Hierbei handelt es sich um Zusammenstellungen von Zeichnungen und bearbeiteter Kopien, die in Comic-Strips integriert werden.
Im Jahr 1964 hinterlässt beim jungen Künstler die Ausstellung „Pop etc.“[2] im 20er Haus, dem heutigen 21er-Haus, bleibenden Eindruck.[3] Dadaismus, Surrealismus und Pop Art interessieren den jungen Künstler. Ab dem Jahr 1963 beginnt Kurt Hüpfners Schaffensperiode als Bildhauer. Seine erste Skulptur, die Dame mit schöner Frisur, verfertigt er in diesem Jahr aus Gips und Seegras. Sie mutet wie ein neodadaistisch gestalteter monumentaler Embryo an, bekrönt mit einer kegelförmigen Frisur. Ein paar Jahre darauf entsteht 1969 als Miniatur der Dame mit schöner Frisur die Nymphe Cloacina. Diese Miniaturplastik ist nicht nur die Version seiner ersten Monumentalskulptur; der Künstler hat für sie eine „Betrachtungsanleitung“ entworfen, mit der er angibt, aus welcher Perspektive sie gesehen werden soll. Die Skulptur ist von einem pavillonähnlichen hexagonalen schwarzen Zaun-Häuschen umgeben, welches diverse Aufschriften trägt. Kurt Hüpfner hat nicht nur bei diesem Werk eine genaue Vorstellung, wie der Betrachter auf das Werk seinen Blick lenken soll. So ist auch seine säulenähnliche Plastik Frau Lot allein für eine Rundum-Ansicht konzipiert worden.
In den 1960er Jahren experimentiert der Künstler mit graphischen Verfahren, besonders mit dem Siebdruck. Nur ein Produkt seines Schaffens fertigt er mit dieser Methode an, ein Modell des Vietcong-Rebellenführers Ho Chi Minh, in dem er auf die Pop Art Bezug nimmt.
Die Ikonografie seines Oeuvres ist außerordentlich vielfältig: Nicht nur Politik, Krieg und Gesellschaft fließen in kritischer, wie auch humorvoller Weise in sein Schaffen ein, auch die Welt des „Omen“ und die Prophetie spielen eine wesentliche Rolle. Wesen wie Hexer, Exhumierer, Exorzisten und auch „Irre“ werden von Kurt Hüpfner angefertigt. Solchen faszinierenden und vieldeutigen Figuren begegnet der Betrachter in Hüpfners zeichnerischem Werk wiederholt in verschiedensten Zuständen und Abwandlungen. In seinem Atelier werden diverse Skulpturen in Form von Assemblagen mit Acrylbildern und unterschiedlichen Objekten, wie getrockneten Blumen, Fotografien oder Kerzen kombiniert. Diese Kombinationen verändern sich, wachsen laufend; es gibt kaum ein Werk, dem der Künstler nicht noch ein „Dazugehöriges“ hinzugesellt, das er „wiederfindet“, nachdem er es eigentlich schon aussondern hätte wollen, wovor ihn gelegentlich seine Ehefrau zu bewahren hat.
Kurt Hüpfner hat sich bis zuletzt der aktuellen Wiener Kunstszene nicht zugehörig gefühlt. Bis heute pflegt er verborgen vor der Öffentlichkeit sein aktives Künstlerleben fern des Galerienbetriebs und des Museumsgeschehens.
Mit der im Winter 2016 im Wotruba-Raum des 21er Hauses eröffneten Ausstellung „Kurt Hüpfner – aus dem Verborgenen“, die sich seinem Werk widmete, ließ sich im Überblick ein Eindruck von der Vielseitigkeit des Künstlers gewinnen: Beginnend mit seinen frühen Karikaturen, den an die Pop Art anklingenden Zeichnungen und Assemblagen im großen Format ANNI GET YOUR GUN!, dem Siebdruck Ho Chi Minh, der ersten Großplastik Dame mit schöner Frisur, bis hin zur Zeichnung mit der zugehörigen Plastik Nördlicher Landstrich und zu den „friedhofsartigen“ Kleinplastiken. Außerdem fanden sich in der Ausstellung auch Prosatexte in Form von Journalen, die Bezüge zum aktuellen Geschehen nehmen. Hüpfner beschäftigt sich ausgiebig mit Literatur, Theater, Oper, Politik, Kunst, und er versucht auch, verborgene „Welten“, rätselhafte prophetische Botschaften, seine Welt des „Omen“ darzustellen. So entstand über Jahrzehnte eine Serie des Omen. Die Auseinandersetzung mit der Malerei der Fläche bildet außerdem einen wesentlichen Aspekt seiner malerischen Arbeiten.
An Inspirationen und Einflüssen auf den Künstler und sein Werk sind noch Samuel Beckett, mit dessen Briefwechsel sich der Künstler intensiv auseinandersetzt, Aspekte der lateinamerikanischen (v.a. der mexikanischen) Kunst und sein Interesse an „Art Brut“ (Jean Dubuffet) zu nennen. Außerdem beschäftigt er sich mit Texten von Alain Robbe-Grillet, Jean Paul Sartre, Søren Kierkegaard, Dostojewski und August Strindberg.
Alice Hundsdorfer, 2017